Kriterien für einen Vorausverzicht bei Execution-Only - Liti-Link AG
von Liti-Link AG / 11.09.2024

Kriterien für einen Vorausverzicht bei Execution-Only Mandaten

Retrozessionen Execution-Only und die Herausgabe von Retrozessionen

Kriterien für einen Vorausverzicht bei Execution-Only Mandaten

Mit dem Urteil vom 24.05.2024 äussert sich das Bundesgericht erstmals und auch nur marginal in Bezug auf Execution-Only Verhältnisse. So führt dieses aus, dass sich die für die Vermögensverwaltung geltenden Grundsätze für einen Vorausverzicht nicht unbesehen auf Execution-Only Verhältnisse anwenden lassen. Im Hinblick auf die neuere Lehre, welche die Herausgabepflicht von Retrozessionen bei reinen Konto- /Depotbeziehungen bejaht, erachten wir es daher als notwendig sich mit den Verzichtsvoraussetzungen bei Execution-Only Geschäftsbeziehungen auseinanderzusetzen.

Geht man von der konstanten bundesgerichtlichen Argumentation aus, soll der Beauftragte (= Bank) durch den Auftrag weder gewinnen noch verlieren. Sprich die Bank soll sich nicht bereichern aber auch für die erbrachte Leistung ordnungsgemäss entschädigt werden. In Bezug auf die Retro-Thematik gilt es nun zu berücksichtigen, dass die Entrichtung einer Retrozessionsentschädigung durch die Träger kollektiver Kapitalanlagen (= Fonds, strukturierte Produkte, etc.) an den durch den Kunden beauftragten Absatzmittler (= Bank) das zwischen dem Absatzmittler und dem Kunden vereinbarte Honorar, wenn auch indirekt, faktisch erhöht.

Die Retrozessionszahlung an die Bank erfolgt nämlich einzig Dank und gerade aufgrund der Investition des Kunden bzw. der Verwaltungshandlungen des Finanzdienstleisters. Hätte der Kunde den Auftrag nicht erteilt und die Vermögenswerte nicht in seinem Depot, hätte die Bank auch keine Retrozession eingenommen.

Da das Honorar als Gegenleistung ein wesentlicher Vertragsbestandteil darstellt, besteht daher unseres Erachtens unabhängig vom Vertragsverhältnis (Vermögensverwaltungsmandat, Beratungsmandat oder Execution-Only Mandat) eine Informations- und Herausgabepflicht. Gerade bei Execution-Only-Transaktionen erschöpft sich der Sinn und Zweck der Rechenschaft- und Herausgabepflicht nämlich nicht ausschliesslich in der Vermeidung von Interessenskonflikten, sondern nimmt vielmehr eine Vermögenszuweisung zwischen Auftraggeber und Beauftragtem vor. Denn primäres Ziel von Art. 400 Abs. 1 OR ist die Sicherung der Fremdnützigkeit des Auftrages.

Aus sachlogischen Gründen ist es bei reinen Konto-/Depotbeziehungen, bei welchen ein Beauftragter lediglich die Anweisungen des Auftraggebers ausführt, nicht möglich, im Voraus abzuschätzen, wann und in welchem Umfang ein Auftraggeber (= Kunde) Transaktionen durchführen bzw. beauftragen wird. Allein der Umstand, dass bei Execution-Only-Beziehungen der Auftraggeber allein über sämtliche Parameter der Transaktionen entscheidet, kann deshalb nicht dazu führen, dass ein Vorausverzicht nicht mehr möglich ist. Letztlich entscheidend ist, ob der Auftraggeber abschätzen kann, wie viel der Beauftragte verdient resp. wie viel ihn dessen Dienste kosten. So hält das Bundesgericht in seinem Urteil vom 24.05.2024 ja lediglich auch fest, dass sich die für die Vermögensverwaltung geltenden Grundsätze für einen Vorausverzicht nicht unbesehen auf Execution-Only Verhältnisse anwenden lassen. Auch Execution-Only Kunden müssen in der Lage sein den Umfang der Retrozessionen abzuschätzen, respektive muss die Vermögenszuweisung zwischen Auftraggeber und Beauftragtem, wie oben beschrieben, klar sein.

Aber nicht nur die bundesgerichtliche Rechtsprechung, sondern auch die aufsichtsrechtlichen Vorgaben (vgl. Art. 26 FIDLEG) verlangen, dass die Kunden vorgängig, sprich vor Erbringung der Finanzdienstleistung oder vor Vertragsabschluss, ausdrücklich über die Entschädigungen informiert werden müssen. In diesem Zusammenhang gilt es weiters anzumerken, dass das FIDLEG keine Unterscheidung im Hinblick auf die unterschiedlichen Auftragsverhältnisse vornimmt (vgl. Art. 3 Bst. C FIDLEG) und eine Rechenschaft- und Herausgabepflicht auf sämtliche Finanzdienstleistungen anwendet.

Während bei Vermögensverwaltungsverträgen die effektive Betragshöhe vorgängig nicht feststellbar ist, da sich nämlich der Gesamtbetrag des verwalteten Vermögens laufend verändert und die genaue Anzahl bzw. der Umfang der durchzuführenden Transaktionen im Zeitpunkt des Vorausverzichts unbekannt sind, weshalb das Bundesgericht die eine Bandbreite des verwalteten Vermögens eingeführt hat, sodass der Kunde die Grössenordnung der Retrozessionen in Relation zum vereinbarten Honorar setzen kann, präsentiert sich die Sachlage in der Anlageberatung und bei Execution-Only Verhältnissen anders. Dem Auftragnehmer (= Bank) sind nämlich die Eckwerte der bestehenden Retrozessionsvereinbarungen mit Dritten bekannt. So sind zumindest Upfront Fees und linear ausgestaltete Retrozessionen ab Erteilung des Auftrags durch den Kunden und damit vor Erbringung der Finanzdienstleistung ermittelbar. Daher sind sie dem Kunden vor Erbringung der Finanzdienstleistung als exakter Betrag offenzulegen. Dies dürfte angesichts des Umstands, dass für jedes Finanzinstrument spezifische Eckwertvereinbarungen mit Dritten existieren, einfach möglich sein – beispielsweise durch Einpflegung dieser Informationen in die jeweiligen E-Trading-Systeme. In diesem Zusammenhang ist insbesondere an eine über das Internet zugängliche Datenbank, in welcher diese Eckwerte abgelegt sind, nachzudenken.

Wenn also das Handelsgericht Zürich (vgl. HG190234-O) die Hypothese aufstellt, dass gar weniger strenge Voraussetzungen für einen Verzicht bei Execution-Only Mandaten genügen könnten, kann Liti-Link diese Überlegungen nachvollziehen, ist die Bandbreite des verwalteten Vermögens, wie es das Bundesgericht im Urteil vom 24.05.2024 feststellte, nicht anwendbar. Entscheidend bleibt aber dennoch, dass ident zu den Verzichtsvoraussetzungen bei Vermögensverwaltungsmandaten, die Eckwerte der bestehenden Retrozessionsvereinbarungen mit Dritten offenzulegen sind. Hier zeigen allerdings unsere Erfahrungen, dass die Banken und Vermögensverwalter die Eckwerte selbst bei Vermögensverwaltungsmandaten den Kunden vorenthalten. Der Execution-Only Kunde kann aber schlichtweg ohne Kenntnis dieser Eckwerte (ein in einer Prozentzahl konkret ausgedrückten Wert für die diversen Produkte) keine fundierte Anlageentscheidung fällen und somit ist die Vermögenszuweisung zwischen Auftraggeber und Beauftragtem nicht klar geregelt.

Ob für Execution-Only Mandate eine ähnliche Bezugsgrösse wie bei Vermögensverwaltungsmandaten (= verwaltete Vermögen) anzugeben ist, kann derzeit offenbleiben. Schlussendlich entscheidend ist, dass der Anleger abschätzen kann, wie viel der Beauftragte verdient, weshalb die Eckwerte der bestehenden Retrozessionsvereinbarungen mit Dritten offengelegt werden müssen.

Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass unseres Erachtens nachfolgende Kriterien für einen Vorausverzicht bei Execution-Only Mandaten kumulativ erfüllt sein müssen:

  1. Der Verzichtswille des Auftraggebers muss aus der Vereinbarung deutlich hervorgehen.
  2. Die Eckwerte der bestehenden Retrozessionsvereinbarungen mit Dritten müssen dem Auftraggeber bekannt sein.

In diesem Zusammenhang sollte man sich vergegenwärtigen, in wessen Interesse Retrozessionsvereinbarungen getroffen werden, denn Finanzdienstleister schliessen Retrozessionsvereinbarungen zu ihrem eigenen Nutzen ab. Die Bankkunden selbst haben durch Retrozessionen keine ersichtlichen Vorteile, wird durch Retrozessionen der tatsächliche Preis der einzelnen Dienstleistungen verschleiert, was die Vergleichbarkeit erschwert und letztlich die Preise in die Höhe treibt.

Der entscheidende Unterschied zwischen Execution-Only Kunden und Vermögensverwaltungskunden liegt somit in der jeweiligen Sichtweise. Während nämlich bei Vermögensverwaltungsmandaten die Bank in Kenntnis der Eckwerte der bestehenden Retrozessionsvereinbarungen mit Dritten die Anlageentscheide trifft, handelt die Bank diese konkreten Werte mit Dritten ja selbst aus, fischen Execution-Only Kunden erfahrungsgemäss im Trüben. Diesen werden die für die diversen Produkte konkreten Werte resp. Beträge nämlich vorenthalten und das, obwohl die Retrozessionen immensen Einfluss auf die Rentabilität haben. Transparenz sieht anders aus!

Abschliessend lässt sich festhalten, dass wenn die Finanzdienstleister schon im eigenen Interesse ein undurchsichtiges Vergütungssystem aufbauen, diesen durchaus zugemutet werden kann, deren Kunden ordnungsgemäss und transparent zu informieren. Nicht die Sicht der Bank ist entscheidend, sondern die Sicht respektive das Informationsinteresse des Bankkunden!

 

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